AddF Kassel, NL-P-11; A-F1-00301

Kämpferin für Gleichberechtigung

Elisabeth Selbert

22.09.1896 - 09.06.1986

Herausragende Bedeutung erlangte Elisabeth Selbert als eine der vier Mütter des Grundgesetzes. Auf sie geht das eindeutige Bekenntnis zur Gleichstellung von Mann und Frau in Art. 3,2 des Grundgesetzes zurück, das sie ihren Kolleginnen und Kollegen im Parlamentarischen Rat (fast) im Alleingang abrang.


In einer kleinbürgerlichen Familie zunächst abseits von politischen Feldern aufgewachsen, wandte sich Elisabeth Rohde durch die Heirat mit dem Sozialdemokraten Adam Selbert der Politik zu. Er ermutigte sie, nach der Gründung der Weimarer Republik selbst in die Politik einzusteigen. So engagierte sich Selbert zunächst in der Kommunalpolitik und erkannte dort die vielfältigen Benachteiligungen der Frauen, trotz bereits vorliegender Gesetzesgrundlagen. Als sie feststellte, dass ihr zur aktiven Einflussnahme die theoretischen Grundlagen fehlten, holte sie das Abitur nach und studierte von 1925 bis 1930 Rechtswissenschaften in Marburg und Göttingen. Bereits in ihrer Dissertation trat sie für das sogenannte 'Zerrüttungsprinzip' im Scheidungsrecht ein, das die Schuldfrage mit der folgenden Benachteiligung einer der beiden Ehepartner abschaffen sollte; ein Vorschlag, der erst in den 1970er Jahren der Bundesrepublik umgesetzt wurde.

Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten konnte Elisabeth Selbert 1934, trotz der zunehmenden Beschränkungen berufstätiger Frauen, noch eine Zulassung als Anwältin erreichen. Dies ermöglichte ihr die Versorgung ihrer Familie, auch nachdem ihr Mann aus allen Ämtern gedrängt und zwischenzeitlich in „Schutzhaft“ genommen worden war. Nach Kriegsende blieb Selbert weiterhin Anwältin und nahm auch ihre politische Arbeit wieder auf. 1946 beteiligte sie sich als Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung Groß-Hessens ebenso wie im hessischen Landtag (von 1946 bis 1958) am Auf- und Ausbau demokratischer Strukturen. Als sie sich 1948 auch in die westdeutsche Verfassungsdiskussion über den Parlamentarischen Rat einbringen wollte, erreichte Selbert einen Delegationsplatz allerdings nur über die niedersächsische SPD. Im Parlamentarischen Rat trieb sie, zunächst auch gegen die Widerstände der anderen "Mütter des Grundgesetzes", eine Vorlage voran, die die uneingeschränkte Gleichstellung von Mann und Frau forderte. Als diese in den ersten Anläufen am Widerstand der übrigen Mitglieder scheiterte, zog Selbert in einer PR-Kampagne durch Westdeutschland, um so für ihr Anliegen zu werben – mit Erfolg, am 18. Januar 1949 wurde ihre Vorlage einstimmig vom Parlamentarischen Rat in den Grundgesetzentwurf aufgenommen.

Aus Art. 3,2 ergab sich die Verpflichtung für den Gesetzgeber, alle übrigen Gesetzgebungen, die diesem Artikel entgegenstanden, entsprechend anzugleichen – darauf hatte Selbert ihr Leben lang hingearbeitet. Sie selbst war an diesem Prozess allerdings nicht mehr beteiligt; als Einzige der vier "Mütter des Grundgesetzes" zog sie im Anschluss nicht in den Bundestag ein.

 

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