NDR, Andrea Völker

Funkhaus Hamburg

Der Norddeutsche Rundfunk wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Hamburg gegründet. Vorbild war die BBC, die „Mutter“ aller öffentlich-rechtlichen Sender. Nur mit einem staatsfernen Rundfunk, so die Überzeugung der britischen Militärregierung, konnte die „Gleichschaltung“ der Medien aus der Zeit des Nationalsozialismus überwunden werden.


„Here is Radio Hamburg, a station of the Allied Military Government”. Mit diesen Worten nahm am 4. Mai 1945 um 19 Uhr die 21st Army Group der britischen Streitkräfte den Sendebetrieb im Hamburger Funkhaus an der Rothenbaumchaussee auf. Am Vortag hatte sich die Hansestadt ergeben, die Waffen ruhten, am Abend war der Reichssender Hamburg als letzter des nationalsozialistischen „Großdeutschen Rundfunks“ abgeschaltet worden. Gebäude und Studios waren unversehrt geblieben, einige Techniker waren noch vor Ort. Und so begann hier noch vor der Kapitulation des NS-Regimes die demokratische Rundfunkgeschichte in Deutschland.

1924 war in Hamburg die Nordische Rundfunk AG (kurz: Norag) auf Sendung gegangen, eine staatlich kontrollierte, von privaten Geldgebern mitfinanzierte Radiostation für den Norden – von Göttingen bis an die dänische Grenze, von Bremen bis Rostock. Nach Berlin, Leipzig, München und Frankfurt am Main war die Norag die fünfte Sendegesellschaft in der Weimarer Republik. In den ersten Tagen des Radio-Betriebs zählte man 896 angemeldete Geräte, Ende 1931 waren es 621.000, Schwarzhörer nicht mitgerechnet.

1932 wurde der Rundfunk im ganzen Deutschen Reich verstaatlicht. Den Nationalsozialisten fiel damit bei ihrer „Machtergreifung“ im Frühjahr 1933 ein wirksames Propagandainstrument in die Hände. Joseph Goebbels, „Reichsminister für Volksaufklärung“, wusste es vom ersten Tag an für die Zwecke des Regimes zu nutzen, mit verheerenden Folgen.

So wichtig der Rundfunk zwischen 1933 und 1945 für Propaganda und Desinformation war, so wichtig nahmen ihn nach dem Krieg die Alliierten für den Aufbau einer neuen, demokratischen Gesellschaft. In den ersten Monaten war an ein eigenes Programm allerdings noch nicht zu denken. Proklamationen der Militärregierung, Suchmeldungen nach „Displaced Persons“ gingen über den  Sender, der die gesamte britische Zone versorgte, dazu Programme von Radio Luxemburg und dem deutschsprachigen Dienst der BBC. Schon bald aber ermöglichten die britischen Offiziere auch Deutschen die Mitarbeit. Viele später bekannte Journalisten wie Peter von Zahn, Axel Eggebrecht oder Gerd Ruge gehörten dazu. 1946 setzten die Briten Hugh Carlton Greene als „Chief Controller“ ein – der Journalist und Deutschlandkenner wurde für den Rundfunk in Deutschland einer der maßgeblichen Väter des neuen öffentlich-rechtlichen Modells.

Ein Rundfunk nach dem Vorbild der BBC, ohne staatliche Kontrolle, verantwortlich nur gegenüber der Gesellschaft: dagegen hatten viele deutsche Politiker der Nachkriegszeit erhebliche Vorbehalte. Die neuen, demokratisch legitimierten Parteien CDU und SPD machten aus ihrer Skepsis keinen Hehl, sie witterten Kontrollverlust. Aber Hugh Carlton Greene gelang es gegen vielerlei Widerstände, zum 1. Januar 1948 den Nordwestdeutschen Rundfunk lizenzieren zu lassen – als ein Geschenk der Besatzer an die Gesellschaft. Radio – und später auch Fernsehen – als public service ohne Einmischung der Regierungen: das war nach Jahren der medialen „Gleichschaltung“ ein Meilenstein für die Entwicklung des freien demokratischen Diskurses. Von Anfang an war der Rundfunkrat mit Vertreterinnen und Vertretern zahlreicher gesellschaftlich relevanter Gruppen das einzige Kontrollgremium für das Programm. Der Rundfunk sollte allen gehören.

1956 wurden aus dem NWDR die eigeständigen Rundfunkanstalten NDR und WDR. Nach der deutschen Wiedervereinigung umfasst das Sendegebiet seit 1992 die Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Schleswig-Holstein. Seitdem ist der NDR mit seinen Landesprogrammen, mit Radio- Fernseh- und Online-Angeboten für ganz Norddeutschland sowie Beiträgen für „Das Erste“, „arte“, „3sat“, „Phoenix und den „Kinderkanal“ ein verlässlicher Begleiter des sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens.


zum Ort: Norddeutscher Rundfunk (NDR)

Adresse

Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg

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