Ullstein Bild / Nicola Perscheid

Wortführer für die Beteiligung Polens am deutschen Nationalstaat

Ferdinand von Radziwill

19.10.1834 - 28.02.1926

Als polnischer Katholik und Großgrundbesitzer verkörperte von Radziwill gleich mehrere Bevölkerungsteile, die nicht unbedingt mit der Demokratisierung des Kaiserreichs in Verbindung gesetzt werden. Dabei trugen sein ungebrochenes Bekenntnis zum deutschen Nationalstaat sowie seine integrierende Leistung als Fraktionsführer zu einer zwischenzeitlichen Konsolidierung dieser abweichenden Positionen bei.


Ferdinand von Radziwill wurde in ein polnisches Adelsgeschlecht geboren und absolvierte eine Rechtslaufbahn, um im Anschluss in den preußischen Verwaltungsdienst zu gehen. Über die Zeit bis 1874 ist wenig über ihn bekannt, nach seiner Arbeit im Staatsdienst zog er sich in die Verwaltung der Familiengüter zurück. Von 1874 bis 1918 saß er im Reichstag für den Regierungsbezirk Posen und vertrat hier die polnische Fraktion.

Unter dem Eindruck des Kulturkampfs etablierte sich von Radziwill neben dem Führer des Zentrums, Ludwig Windthorst, als katholischer Gegenspieler Otto von Bismarcks. Dabei verteidigte er nicht nur seine Rechte als Katholik, sondern auch als Teil der polnischen Minderheit, die Teilhabe am nationalen Projekt einforderte und gleichzeitig seine Eigenständigkeit, z.B. in ihrer Sprache, gewahrt sehen wollte. Dafür bekannte sich von Radziwill im Umkehrschluss auch zum Kaiserreich und zum deutschen Nationalstaat. Noch 1917 beschwor er die Loyalität der polnischen Fraktion im deutschen Reichstag. Über die Umbrüche des Ersten Weltkriegs saß Ferdinand von Radziwill zwei Jahre später dann als Alterspräsident im Sejm, dem neu gegründeten polnischen Parlament.