Kramerzunft Memmingen
Drückende Abgaben und feudale Willkür führten zu den Bauernaufständen des Jahre 1525. In Memmingen schrieben revolutionäre Bauern einen frühen Verfassungsentwurf.
Bereits Ende des 15. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts kam es vereinzelt zu Erhebungen von Bauern, die sich gegen die bestehenden wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse richteten. Auslöser war die Unzufriedenheit vieler Bauern mit den zunehmenden Belastungen durch ihre Grundherren. Die reformatorische Lehre Martin Luthers, insbesondere seine Betonung der Gleichheit und Freiheit aller Christen vor Gott, wurde von zahlreichen Bauern aufgegriffen und auf ihre weltlichen Lebensumstände übertragen. Die religiösen Anliegen verbanden sich mit sozialen und wirtschaftlichen Forderungen, insbesondere nach Entlastung, Gerechtigkeit und Teilhabe, etwa durch die freie Wahl der Ortspfarrer. In einem Klima wachsender gesellschaftlicher Spannungen und angeregt durch die reformatorischen Ideen forderten Bauern im südwestdeutschen Raum Veränderungen. Diese mündeten 1525 in einer großflächigen und gewaltsamen Erhebung, dem sogenannten Bauernkrieg.
Im März 1525 versammelten sich Vertreter der südwestdeutschen Bauernräte (Baltringer Haufens, Bodenseehaufen und Allgäuer Haufen) in der Memminger Kramerzunft und schlossen sich zur „Christlichen Vereingung“ zusammen, um ihre Interessen besser durchsetzen zu können. Sie verabschiedeten die „Bundesordnung der christlichen Vereinigung“. Der Memminger Laienprediger Sebastian Lotzer fasste die Forderungen der Allgäuer, Baltringer und Bodenseer Bauern in „Zwölf Artikeln“ zusammen.
Der Bauernkriegsforscher Peter Blickle bezeichnet die Memminger „Bundesordnung“ als einen frühen Verfassungsentwurf und wertet die Niederschrift zusammen mit den „Zwölf Artikeln“ als „einen der wichtigsten Texte des Bauernkrieges“. „Entscheidend war dabei der in den Zwölf Artikeln der Bauern vollzogene begriffliche Wechsel von den Klagen über die Leibeigenschaft hin zur Forderung nach Freiheit. Die Bauern definierten sich nicht mehr über ihren Stand als Leibeigene, sondern über die Freiheit.“ Die „Zwölf Artikel“ sind der Idee der Würde jedes einzelnen Menschen verpflichtet – eine Vorstellung, aus der wir heute die Universalität der Menschenrechte ableiten. Bundespräsident Johannes Rau bezeichnete die Schrift im Jahr 2000 als frühes Monument der deutschen Freiheits- und Verfassungsgeschichte. Der Memminger Forderungskatalog weist damit weit über seine Zeit hinaus. Die Ereignisse des Jahres 1525 stehen am Beginn eines Ringens um Menschenrechte, das bis heute nicht abgeschlossen ist.
Im Gedenken an dieses historische Ereignis hat die Stadt Memmingen zusammen mit einem bürgerschaftlichen „Kuratorium“ den „Memminger Freiheitspreis 1525“ ins Leben gerufen. Mit der Auszeichnung werden Persönlichkeiten, Verbände oder Initiativen geehrt, die sich im Namen der Menschenwürde für Freiheit, Recht und Gerechtigkeit einsetzen, Machtmissbrauch aufdecken und so motivierende Vorbilder in unserer Gesellschaft sind. Seit Juni 2020 trägt Memmingen auf Beschluss des Stadtrates den Namenszusatz „Stadt der Freiheitsrechte“. Das Haus selbst wird heute von der Kreishandwerkerschaft genutzt und gepflegt.
zum Ort: Memmingen, Stadt der Freiheitsrechte
Orte der Demokratie in Bayern