Im Jahr 1973 wurde an über 300 Orten in der Bundesrepublik Deutschland gestreikt, darunter auch beim Automobilzulieferer Pierburg in Neuss. Hier wurde der Streik vor allem von migrantischen Frauen getragen und war innerhalb kurzer Zeit erfolgreich.
Beim Automobilzulieferer Pierburg in Neuss bestand die Belegschaft zu einem großen Teil aus migrantischen Frauen, die in der „Leichtlohngruppe 2“ am Fließband bei gleichbleibend niedrigem Lohn immer schneller arbeiten mussten. Als die Migrantinnen ihren Streik am 13. August 1973 für Lohnerhöhung und die Abschaffung der „Leichtlohngruppe 2“ begannen, sah es zunächst nach einer schnellen Niederschlagung des Arbeitskampfes aus. Dann aber warben die streikenden Migrantinnen mit einer symbolischen Geste um die Solidarität der überwiegend deutschen, männlichen Facharbeiterschaft und schenkten ihnen rote Rosen. Die Facharbeiter, die schon einmal erfolglos gestreikt hatten, sahen nun ihre Chance, bei zukünftigen eigenen Forderungen von den Migrantinnen unterstützt zu werden und solidarisierten sich mit ihnen.
Nun konnte die Unternehmensleitung den Streik nicht länger ignorieren. Tatsächlich kam es schnell zu Verhandlungen und zu einer Einigung: Die „Leichtlohngruppe 2“ wurde abgeschafft und einer Lohnerhöhung von 75 Pfennig pro Stunde zugestimmt. Gemeinsam mit den Facharbeitern wurde noch mehr erreicht: Keine der Arbeiterinnen wurde entlassen, wie sonst bei „wilden Streiks“ ohne Mitwirkung der Gewerkschaften üblich. Außerdem wurde für die vier Streiktage Lohn gezahlt. Damit endete der Streik in Neuss deutlich positiver als die bekannteste Arbeitsniederlegung des Jahres 1973 beim Autohersteller Ford in Köln. Dort wurde der Streik der türkischen „Gastarbeiter“ weder von der IG Metall noch vom Betriebsrat bei Ford unterstützt und nach fünf Tagen gewaltsam durch Polizei und deutsche Arbeitswillige, die ihre streikenden Kollegen aus dem Werk prügelten, beendet. Mehrere vermeintliche Streikführer wurden festgenommen, einige davon in die Türkei abgeschoben.
