Die Ortsgemeinde Wöllstein in Rheinhessen, heute Teil der Verbandsgemeinde Wöllstein im Landkreis Alzey-Worms in Rheinland-Pfalz, erlangte während der Mainzer Republik (1792/93) besondere Bedeutung. Sie galt als jakobinische Hochburg und revolutionäres Musterdorf. In dieser Zeit wurde das „Lied der Freien Wöllsteiner“ verfasst, das die demokratischen Bestrebungen der Bürgerinnen und Bürger ausdrückte. Es war ein Versuch eine neue politische Kultur, geprägt von den Ideen der Französischen Revolution, zu etablieren.
Die Mainzer Republik war der erste Versuch, demokratische Strukturen auf deutschem Boden zu etablieren. Sie entstand im Kontext der Französischen Revolution, nachdem französische Truppen im Oktober 1792 das linksrheinische Gebiet erobert hatten. Unter der Führung des Mainzer Jakobinerclubs wurde im März 1793 eine Republik nach französischem Vorbild ausgerufen. Die neuen Machthaber setzten auf Volksversammlungen, die Schaffung demokratischer Gremien und die Abkehr von feudalen Strukturen. Dieser Aufbruch war jedoch nur von kurzer Dauer: Bereits im Juli 1793 wurde die Republik durch ein preußisch-österreichisches Heer zerschlagen.
Wöllstein war eine der Gemeinden, die sich früh der Mainzer Republik anschlossen, einer von revolutionären Franzosen gegründeten Republik auf deutschem Boden. Unter dem Einfluss der revolutionären Ideen der Franzosen wurden in Wöllstein demokratische Strukturen erprobt. Die Einwohnerinnen und Einwohner pflanzten einen Freiheitsbaum, hielten Volksversammlungen ab und beteiligten sich aktiv an der republikanischen Bewegung. Das "Lied der Freien Wöllsteiner" ist ein zeitgenössisches Zeugnis dieser Bewegung und zeugt vom Enthusiasmus der Menschen für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Verfasst von Johann Friedrich Lehne (1771 – 1836) wurde das Lied 1793 mit einem Vorwort gedruckt, in dem die patriotische Gesinnung und das Engagement, der „lieben Brüder und braven Bürger von Wöllstein“ für die politische Zukunft als besonders vorbildlich gelobt wurde. Als die preußischen und österreichischen Truppen die Mainzer Republik im Juli 1793 niederschlugen, endete auch in Wöllstein das Experiment der Demokratie.
Die Mainzer Republik wird heute in der Geschichtsforschung ambivalent betrachtet. Einerseits gilt sie als früher demokratischer Versuch, andererseits wurde sie von Teilen der Bevölkerung auch als französische Fremdherrschaft empfunden. Besonders umstritten ist, inwieweit die Republik von einer breiten Bevölkerungsschicht getragen wurde oder ob sie vorrangig ein Projekt der jakobinischen Eliten war. Historiker wie Franz Dumont betonen die Bedeutung der Republik als Vorläufer demokratischer Bewegungen in Deutschland, während andere Forscher die Zwangsmaßnahmen und die Abhängigkeit von der französischen Armee hervorheben.
Heute erinnert in Wöllstein die Plakette „Ort der Demokratiegeschichte“ an die Ereignisse der Jahre 1792/93. Die demokratische Geschichte der Region wird in lokalen Museen und durch Veranstaltungen thematisiert.