Hambacher Manifest zur Demokratiegeschichte

Das Hambacher Manifest zur Demokratiegeschichte wurde im Herbst 2016 auf dem Hambacher Schloss konzipiert und am 1. Juni 2017 in Berlin beschlossen. Es ist das Gründungsdokument der Arbeitsgemeinschaft Orte der Demokratiegeschichte.

Präambel

Deutschland hat Anteil an der langen europäischen Demokratie- und Freiheitstradition. Das Wissen um diese Wurzeln ist in unserer Gesellschaft vielfach verschüttet. Es ist vergessen, dass unser demokratischer, freiheitlicher und sozialer Rechtsstaat von vielen Menschen in unserem Land in politischen und teilweise militärischen Auseinandersetzungen unter zahlreichen Opfern erst erkämpft werden musste.

Auf diesem mühsamen, über zwei Jahrhunderte dauernden Weg Europas in die demokratische Gesellschaft wurde ein Grundwertekanon entwickelt, auf dem das gesellschaftliche Leben der Bundesrepublik Deutschland beruht.

Auch heute gilt: Demokratie, Grund- und Menschenrechte sind nicht selbstverständlich. Sie müssen immer wieder aufs Neue erkämpft und verteidigt werden. Sich dies bewusst zu machen, ist ein erster wichtiger Schritt, Demokratie, Grund- und Menschenrechte in unserer Gesellschaft zu stärken. Unverzichtbar und wichtig bleibt dafür auch die Erinnerung an das Unrecht und die Verbrechen in der deutschen Geschichte, insbesondere in den beiden deutschen Diktaturen.

Ziele

Ziel der Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“ ist es, die Wahrnehmung der deutschen Demokratie- und Freiheitsgeschichte lokal, regional und deutschlandweit zu fördern. Dafür sind zum einen schon bekannte oder bisher weniger bekannte Orte und Ereignisse im öffentlichen Gedenken zu verankern und als Lernorte weiter zu entwickeln. Zum anderen sind Vorkämpfer/innen und Streiter/innen für Demokratie und Grundwerte öffentlich stärker herauszustellen; ihre Bereitschaft, in ihren Lebenssituationen Verantwortung zu übernehmen und Handlungsspielräume zu nutzen, ist aufzuzeigen.

Diese Erinnerungsarbeit zu den demokratischen Traditionen und Traditionslinien ermöglicht jeder und jedem, unabhängig von der Herkunft, auch über nationale Grenzen hinaus, eine bessere Orientierung in unserer Gesellschaft.

  • Durch das Wissen um die schwierigen Wege zu Freiheit und Demokratie kann die Sensibilität entwickelt werden, Gefährdungen des demokratischen Grundkonsenses zu erkennen.
  • Das Erinnern an historische Konstellationen der Demokratiegeschichte fördert das Erkennen eigener Handlungsspielräume und damit die aktive Mitgestaltung und Teilhabe am Prozess der politischen und gesellschaftlichen Willensbildung.
  • Durch die Auseinandersetzung mit den demokratischen und freiheitlichen Traditionen sollen Respekt gegenüber demokratischen Einrichtungen und die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu engagieren, gefördert werden.
  • Demokratie war nie ein fester gesetzter Begriff – und ist es nicht. Die Diskussion über die Frage, was Demokratie für uns auch heute ausmacht, soll beflügelt und als wesentlicher Teil der Demokratie verstanden werden.
  • Von diesem Ansatz einer identitätsstiftenden Demokratieerinnerung versprechen sich die Partner des Netzwerks Anstöße für die Forschung, insbesondere für eine umfassende Demokratiegeschichtsschreibung. Noch sind längst nicht alle erinnerungswürdigen Orte und Personen entdeckt.
  • Diese Art der Erinnerung ermöglicht eine Verknüpfung mit gleichartigen Traditionen in anderen europäischen Ländern und stärkt damit die Fundamentierung und Einigung eines freiheitlich-demokratischen Europas.
  • Für demokratiegeschichtliche Erinnerungsorte ist ein Förderprogramm des Bundes aufzulegen, das eine systematische Förderung dieser Orte und der damit verbundenen zivilgesellschaftlichen Initiativen ermöglicht.
  • Demokratiegeschichtliche Erinnerungsorte sind als wichtige außerschulische Lernorte zu begreifen; ihr Besuch sollte in die Bildungspläne der Länder aufgenommen werden.

Wege

Demokratiegeschichtliche Erinnerungsorte sind Orte der gesellschaftlichen Diskussion zu Gestaltung und Gefährdung von Freiheit, Gerechtigkeit, Grund- und Menschenrechten. Demokratische Teilhabe und Zivilcourage sollen angeregt werden.

Die unterzeichnenden Initiativen und Institutionen sind zusammengekommen, um diese Ziele zu unterstützen. Dazu tauschen sie ihre Erfahrungen aus und wollen gemeinsam Antworten auf die Gefährdungen von Demokratie und Grundwerten entwickeln.

Die Wahrnehmung demokratischer Erinnerungsorte, die Belebung demokratischer Wurzeln und das Anknüpfen an positive Stränge deutscher Geschichte sollen durch gemeinsames Wirken angeregt und mit Aktivitäten unterstützt werden:

  • Regelmäßige öffentliche Information und Kommunikation
    • gemeinsame Thementage
    • Entwicklung von Informations-Formaten mit Partizipationsmöglichkeiten
    • gemeinsame Internetseite; Flyer, Stände
  • Historisch-politische Bildungsarbeit zu Orten der Demokratiegeschichte
    • Weiterentwicklung von Formaten mit Beteiligung und Gegenwartsbezug.
    • Wissen und wissenschaftlicher Austausch
    • Bündelung des Wissens um Orte der Demokratiegeschichte:
  • Kataster/Karte der Orte (digital)
  • Publikationen, Tagungen, Einzelveranstaltungen
  • Interessenvertretung für die Anliegen der Demokratiegeschichte gegenüber Entscheidungsträgern in Politik, Bildung und Wissenschaft